Walther war ein altes Familienunternehmen, gegründet als Büchsenmacherei im
Jahr 1886 von Carl Walther in Zella-Mehlis in Thüringen. Gebaut wurden
Waffen für Jagd, Sport, Polizei und Militär. Noch heute werden von einem
österreichischen Unternehmen Schießwaffen hergestellt, die das
'Walther-Fähnchen' tragen. Sogar James Bond verläßt sich bekanntlich auf
eine Walther-Pistole.
Dies ist eine ganz und gar friedliche und zivile Web-Seite, in der es nur
um Rechenmaschinen geht. Bemerkenswert ist aber erstens, daß beim Waffen-
und beim (mechanischen) Rechnerbau ähnliche Fertigkeiten von Nutzen sind
(Präzision und Zuverlässigkeit waren bei Walther immer grundlegende
Begriffe), und zweitens, daß (ähnlich wie bei der Waffenfabrik Mauser) der
Bürotechnikzweig ganz wesentlich zum Überleben der Firma nach dem ersten
ebenso wie nach dem zweiten Weltkrieg beigetragen hat. Nach verlorenen
Kriegen sind Waffen eben erst mal nicht mehr so gefragt, bzw. ihre
Herstellung ist dann schlichtweg verboten.
Jetzt aber zum Thema: Walther und die Rechenmaschinen!
Ende der 60er-Jahre gab Walther das nebenstehende Heft heraus, das die
Geschichte der Zahlen und des Rechnens, insbesondere des mechanischen
Rechnens, und einen (natürlich mit wohlwollenden Augen gesehenen) Abriß
der Vergangenheit der Firma beinhaltet.
Demnach hat Walther die erste Sprossenradrechenmaschine im Jahr 1924
gebaut und stellte 15 Jahre später bereits 16 verschiedene
Rechenmaschinenmodelle her. Nach der Zerstörung des Werkes in
Zella-Mehlis zum Kriegsende wurde die Firma in Westdeutschland wieder
aufgebaut, und zwar 1945 in Heidenheim (mechanische
Präzisionswerkstätten) und 1947 in Gerstetten (Feingerätebau).
Ab 1948 baute Walther in Niederstotzingen
Sprossenrad-Handrechenmaschinen. Die WSR 160, ein handliches, aber sehr
solides Maschinchen, dürfte das erfolgreichste dieser Geräte sein.
Die Walther Schnellrechenmaschine 160 und ihre kleinere Schwester WSR
110 sind wahrscheinlich nicht nur die hübschesten, sondern auch die
meistverkauften Kurbelrechenmaschinen aller Zeiten. Zu einem Preis um
etwa 600 DM + Mwst. wurde die WSR 160 bis ungefähr 1970 angeboten.
Schon 1929 gab es bei Walther eine elektrisch 'motorisierte'
Sprossenradrechenmaschine, die EMKD. 1952 konnte Georg Walther auf der
Hannover-Messe die damals schnellsten elektrischen Addiermaschinen der
Welt vorstellen. Im Jahr darauf wurden die Werke in Gerstetten und
Niederstotzingen zusammengefaßt und bildeten die Walther Büromaschinen
GmbH. Vermutlich erfolgte damit auch eine Abspaltung der
Waffenherstellung in ein unabhängiges Unternehmen.
1959 kam mit dem Modell multa eine elektrische Maschine mit
automatischer Multiplikation auf den Markt. Die multa verkaufte sich
ausgesprochen gut. Eine multa 32 kostete im Jahr 1963 1430 DM + Mwst.,
im Jahr 1970 noch 1198 DM + Mwst.
Der Walther-Automat 640 schließlich konnte nicht nur multiplizieren,
sondern sogar kommarichtig dividieren, beides auch mit konstantem
Multiplikator / Multiplikand / Dividend / Divisor. Er kostete
allerdings 1963 immerhin 4850 DM + Mwst. und hat daher wohl keine große
Verbreitung gefunden.
Man darf auch annehmen, daß diese Maschine aufgrund ihrer Komplexität
recht wartungsaufwendig war.
Das Rechenwerk des 640 wurde unter der Bezeichnung 610 auch als
Bestandteil anderer Geräte verwendet, etwa – in Verbindung mit
elektrischen Adler-Schreibmaschinen – in der Fakturiermaschine Triumph
Factura 3:
Dank an Kurt Egger für diese Bilder. Ein weiteres Foto des 610 ist im
Computer-Museum
der Universität Hamburg zu sehen.
Durch Weglassen der Divisionsfunktion und Hinzufügen dreier
Speicherwerke wurde aus dem 631 das in der Informatik-Sammlung
Erlangen (ISER) zu bewundernde Rechenwerk 631, das in der
Buchungsmaschine Triumph Euconta 70 Verwendung fand:
1964 wurde die 250.000ste Walther-Rechenmaschine ausgeliefert. Die
Walther-Maschinen waren sogar in Japan erfolgreich.
1964 gingen die comptess und 1965 die multa GT in Serie. Auf den Seiten
22 und 23 von Präzision aus Tradition findet man eine nette
Übersicht der damals von Walther hergestellten elektromechanischen
Rechner.
Auch die WSR 160 wurde noch gebaut!
Solche elektromechanischen Rechner hat Walther sogar noch 1986
angeboten! Späte Modelle ab etwa 1970, wie die links zu sehende
comptess, wirken durch ihr sachlich kantiges Gehäuse recht modern und
unterscheiden sich äußerlich kaum von den ersten elektronischen
Tischrechnern mit Druckwerk, obwohl unter der Motorhaube noch ein rein
mechanisches Rechenwerk steckt.
Hier eine Übersicht der Seriennummern der erfolgreichen Modelle WSR
110, WSR 160 und multa 32:
Jahr
WSR 110
WSR 160
multa 32
1956
bis 115205
bis 128260
1957
bis 115505
bis 134551
1958
bis 115781
bis 139993
1959
bis 116045
bis 146411
1960
bis 116285
bis 153231
1961
bis 116586
bis 160148
1962
bis 116832
bis 166513
bis 965950
1963
bis 116959
bis 173564
bis 988200
1965
bis 188000
1966
bis 194000
bis 1057000
1967
bis 1050000
1968
bis 213700
1969
bis 1345000
1971
bis 225650
bis 1360000
1972
bis 3108000
1973
bis 3126650
Je nach der benutzten Ausgabe des "Büromaschinen Kompass" erhält man
allerdings leicht unterschiedliche Zuordnungen zwischen Jahren und
Seriennummern.
Und eine alphabetische Übersicht aller bekannten nicht-elektronischen
Walther-Rechner:
Druckend:
80 E, comptess, comptess 11, comptess 12, diwa 32, DS 12, DS 32, DS
124, DS 132, DS 224, DS 232, DS 332, multa 32, multa 33, multa GT, P
12, P 224, P 232, S, S 9, S 10, S 12, S 30, S 32, S 33, S 124, S 132,
S 224, S 232, S 332, SM 12, SM 32, SR 12, SR124, SR 132, SR 224, SR
232, SRM 13, 640
Nichtdruckend:
DMKZ, EMKD, R, RK, RKZ, RKZ 10, RM, RM/16, RMK, RMK/16, RMZ, RMKZ,
RMKZ 16, WR 10, WR 16, WSR 11, WSR 16, WSR 110, WSR 160
Die S 12 wird übrigens auch als simplex 12 bezeichnet und die DS 12
als duplex 12 usw. Die SM 12 ist auch als Admulta bekannt. Näheres zu
den meisten der genannten Maschinen findet man
im Büromaschinen Lexikon.
Jetzt wird es spannend: Wir kommen zu den ersten elektronischen
Walther-Maschinen. In den späten 60er-Jahren begann man bei Walther,
sich auf die modernen Zeiten einzustellen und über elektronische
Rechenmaschinen nachzudenken. Während der anzeigende Walther ETR 1 noch
ein von Ricoh hergestelltes Gerät war, stellte der druckende ETR 10, im
Jahr 1970 vom IF Design ausgezeichnet, eine eigenständige
Walther-Entwicklung dar.
Es folgten eine Reihe weiterer elektronischer Geräte, große und kleine
Tischrechner für unterschiedliche Anwendungsgebiete, mit und ohne
Druckwerk. Mehr über diese Maschinen gibt es in der ETR-Ausstellung. Daneben stellte Walther
z.B. auch Fahrkartendrucker für die Deutsche Bundesbahn her. Man
beachte die bauliche Ähnlichkeit des ETR 10 mit den
Platzbuchungsautomaten, die Walther für die Bahn entwickelt hat!
Walther war dabei nicht nur in Deutschland erfolgreich. So wurden etwa
auch belgische Bahnhöfe mit Platzbuchungsterminals ausgestattet.
(Dank an Serge Devidts.)
Eine ganze Weile wurden gleichzeitig elektromechanische und
elektronische Geräte angeboten. Wie verkauft man so etwas? Da gibt
es sowohl das friedliche Nebeneinander der beiden Gerätearten in
ein und derselben Anzeige als auch das Vermeiden der
Gegenüberstellung, indem statt Rechenmaschinen eher sachfremde
schöne Motive in der Werbung erscheinen. Wichtig war in erster
Linie, den schon immer mit den Begriffen "sicher" und "zuverlässig"
verknüpften Namen Walther auch an die Eigenschaften "einfach",
"modern" und "elektronisch" zu binden. Ein fliessender Übergang von
der mechanischen in die elektronische Zeit wurde der Kundschaft
auch erleichert, indem man die Maschinen anfangs in ähnliche
Gehäuse packte und sich im Falle des ETR 2030 alias "multa E"
zumindest vorübergehend sogar für eine gewisse Kontinuität im Namen
entschied.
In diesen Jahren entwickelte sich die Technik schnell. Zu schnell für
Walther. Es wurde immer schwieriger, die traditionellen
Qualitätsansprüche der Firma mit dieser Schnellebigkeit zu vereinbaren.
Die Kunden waren wohl auch nicht bereit, Geld für hochwertige Geräte
mit langer Lebensdauer auszugeben, während amerikanische und japanische
Firmen in schneller Folge immer billigere Rechner auf den Markt
brachten. Die Walther Büromaschinen GmbH mit 1600 Mitarbeitern mußte am
6. August 1974 Konkurs anmelden.
Das Werk konnte aber erhalten werden, und trotz des Zustandes "i.K."
(in Konkurs) konnte die Produktion dank eines guten Konkursverwalters
weiterlaufen, indem Lagerbestände verbaut wurden. Ab 8.12.1978 wurde
die Firma mit 410 Mitarbeitern als Walther Electronic AG weitergeführt
und fertigte neben einzelnen Baugruppen (Druckköpfe, Drucker,
Tastaturen, Gehäuse usw.) und Spezialentwicklungen im Kundenauftrag,
etwa für die Deutsche Post, u.a. Datenerfassungssysteme, Matrixdrucker,
elektronische Schreibmaschinen und Abrechnungscomputer.
Ein Beispiel wäre die ST 800 (1978), Schreibstation für den
Empfang und Abdruck alphanumerischer Informationen mit paralleler
(optional zusätzlich serieller) Schnittstelle. Metallpapierdrucker mit
30 Zeichen / Sekunde, 80 Zeichen / Zeile, Punkteraster 5x7. Von
der verbesserten ST 8000 (1979) mit 50 Zeichen / Sekunde ist unklar,
ob sie tatsächlich auf den Markt gekommen ist.
Walther hatte hohe Kompetenz im Bereich Mikroprozessoren /
Mikrocomputer. 1980 wurden die Micro-Computer C 10, C 25 und C 55
angeboten. Der C 55 war mit bis zu 256 kB RAM ausgestattet und konnte
mit bis zu acht Magnetplatteneinheiten und bis zu 16
Bildschirmarbeitsplätzen umgehen. Matrixdrucker und Zeilendrucker waren
ebenso anschließbar wie Magnetbandgeräte, Lochkartenleser und anderes.
Ebenfalls 1980 gab es die Textsysteme 1100, 2200, 5000 und 6000. Das
Textsystem 6000 bot bis zu drei Bildschirmarbeitsplätze, eine
Magnetplatteneinheit und einen Typenraddrucker.
Hervorheben wollen wir die folgenden Maschinen, die allesamt auf einem
System mit 8085-Prozessor aufbauen:
DE 100 (1981): Datenerfassungsgerät mit Metallpapiermatrixdrucker,
Schreibmaschinentastatur mit Ziffernblock und elf Funktionstasten,
16-stellige Anzeige und Minikassettenlaufwerk. Anschlußmöglichkeit
für Diskettenlaufwerke. Schnittstellen für zusätzliche Drucker,
Fernschreiber und Modem. Frei programmierbar mittels eigener
Macrosprache WPL (vermutlich "Walter Programming Language").
AC 33 (1983): Abrechnungcomputer für Formulare, mit Nadeldrucker,
Schreibmaschinentastatur und 16-stelliger Anzeige. Programme und
Daten können auf ein angeschlossenes Minikassettenlaufwerk
geschrieben werden.
AE 33 (1985): Abrechnungs- und Erfassungscomputer, ein vollwertiger
Computer mit grafikfähigem Matrixdrucker, Schreibmaschinentastatur
und 40-stelliger Anzeige, batteriegepufferte RAM-Disk bis 128 kB,
wechselbare Programmmodule bis 32 kB. Netzwerkfähig und für
Datenfernübertragung geeignet. Anschlußmöglichkeiten für
12"-Bildschirm, zusätzliche Drucker und Lesegeräte. Programme
können auf EPROMs abgelegt werden. Kann Programme wie Wordstar,
Lotus, Visicalc verwenden.
EC 33 (1985): Elektronischer Codierer für Zahlungsbelege mit
Räderdruckwerk, 16-stelliger Anzeige und Tischrechnerfunktion.
Netzwerkfähig. Programme können auf EPROMs abgelegt werden.
EF 33, OM 33 (198?): Abgespeckte AC 33? Matrixdrucker, numerische
Tastatur mit Erweiterungen, PROM-Module.
Hier die sehr schön erhaltenen DE 100 und AC 33 von Stefan Höltgen und
Rainer Siebert beim VCFB 2019:
Es gab weiterhin auch elektronische Walther-Tischrechner und sogar
einen programmierbaren Taschenrechner. Diese wurden nicht mehr in
Deutschland entwickelt oder gar gebaut, sondern in Asien, und in
Deutschland unter dem bewährten Namen Walther verkauft. In der ETR-Ausstellung werden auch diese Rechner
kurz beschrieben.
Trotz Ausweitung der Lohnfertigung geriet die Walther Electronic AG
1987 abermals in wirtschaftliche Schwierigkeiten, konnte aber als
Walther Electronic Vertriebsgesellschaft mbH überleben. Nach einem
Management Buyout Ende 1989 trat die Firma als Walther
Electronic-Systeme GmbH und später als Walther Data GmbH auf und
entwickelte für den internationalen Markt Dokumentbearbeitungssysteme,
Hochleistungsscanner und Belegleser und -sortierer z.B. zum Einlesen
von Schecks und medizinischen Rezepten, wie den EC 90:
Die Stärke der zuletzt Walther Data Gmbh Scan Solutions genannten Firma
in Gerstetten lag also weiterhin in der Verbindung von Feinmechanik und
Elektronik in Maschinen, von denen hohe Qualität und Zuverlässigkeit
gefordert wird. Nach einem weiteren Konkurs im Jahr 2014(?) werden die
Geschäfte mit den Scannern inzwischen von der Firma Mcon Global am
selben Ort weitergeführt.
Das Buch "Stätten deutscher Arbeit" von Hans Tischert (Band 14, 1957)
enthält ein Kapitel über die Walther-Büromaschinen GmbH.
Die Erinnerungen von Ray Mackay, Teil 1.
Die Erinnerungen von Ray Mackay, Teil 2.
Walther-Sprossenradrechenmaschinen der Rechentechnischen Sammlung des
Instituts für Mathematik und Informatik Ernst-Moritz-Arndt-Universität
Greifswald.
Elektromechanische Walther-Rechner der Rechentechnischen Sammlung des
Instituts für Mathematik und Informatik Ernst-Moritz-Arndt-Universität
Greifswald.
Der Eintrag zu Walther im Rechnerlexikon.
Sehr schöne Beschreibungen mechanischer Walther-Rechner von Detlev Bölter.
Bericht der Zeit vom 22.12.1978 über den Neuanfang der Firma als
Walther Electronic AG.
Bericht der Computerwoche vom 19.1.1979 über den Neuanfang der Firma als
Walther Electronic AG.
Patentanmeldung der Walther Electronic AG vom 27.6.1980 für einen
programmierbaren Büro-Abrechnungscomputer. Dieses Patent dürfte hinter
dem AC 33 stehen.
Bericht der Computerwoche vom 1.12.1989 über die Umfirmierung der Walther
Electronic Vertriebsgesellschaft mbH zur Walther Electronic-Systeme GmbH.
Bis vor kurzem die Web-Präsenz der Walther Data GmbH. Von hier stammte
das Bild des EC 90.
Die Firma Mcon Global, die die Nachfolge der Walther Data GmbH Scan
Solutions übernommen hat. Sie ist auch über http://walther-data.de zu erreichen.
Auf dem YouTube-Kanal von Mcon Global sieht man Walther-Scanner in
Aktion. Beeindruckend.